«Ich hätte mich zwischen den Therapien gerne in ein eigenes Zimmer zurückgezogen»

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Andrea Möhr lebt mit einer Spondyloarthritis und einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS). Sie schildert ihre Erfahrungen, welche sie in einer ambulanten Reha in Bern gemacht hat und gibt Tipps für Betroffene, denen eine Reha allenfalls noch bevorsteht.

Mehrere Jahre lang litt ich unter starken Schmerzen, die mich über Monate teilweise arbeitsunfähig machten. Da sich die Situation 2015 weiter verschlechterte und sehr komplex war, schlug mir mein Rheumatologe eine multimodale, ambulante Schmerztherapie am Inselspital in Bern vor. Das Programm heisst BAI (Berner ambulantes interprofessionelles Rehabilitationsprogramm) und wird von der Klinik für Rheumatologie & Immunologie angeboten.

Das Ziel der Massnahme war, mit verschiedenen Techniken, Therapien und psychologischer Unterstützung die Schmerzen zu lindern, einen besseren Umgang damit zu finden und so mehr Lebensqualität zu erhalten sowie die Rückkehr ins Arbeitsleben einzuleiten. Dazu gehörte auch, körperlich fitter und psychisch stabiler zu werden. Ich war damals sehr froh über den Vorschlag und die Aussicht, endlich Unterstützung zu erhalten, um den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu schaffen. Die Reha dauerte 3 x 4 Wochen am Stück. Im ersten Block, dem intensivsten, war ich zu 100 Prozent krankgeschrieben.

Für den 2. und 3. Block begann ich schrittweise wieder zu arbeiten und war teil-krankgeschrieben. Der Reha-Tag begann für mich zuhause mit der üblichen Morgenroutine, dem Packen der Kleider und Unterlagen für das jeweilige Tagesprogramm und der Anreise nach Bern. Meistens startete das Programm um 9 Uhr und endete zwischen 15 und 16.30 Uhr. Wir waren als Gruppe von sechs Patientinnen unterwegs. Jede hatte ihren individuellen Tagesplan bestehend aus vier bis fünf Therapieeinheiten im Einzel- oder Gruppensetting.

Letzteres betraf Körperwahrnehmung, Wassertherapie, Schmerzedukation, MTT (medizinische Trainingstherapie) oder eine Kochgruppe mit Fokus Ergonomie. So profitierten wir zusätzlich voneinander, inspirierten und motivierten uns gegenseitig. Einzeln absolvierten wir das Arztgespräch, Physio- und Ergotherapie sowie psychologische und Sozialberatung.

Für mich war es im ambulanten Setting manchmal schwierig, dass ich mich zwischen den Therapieeinheiten nicht in ein eigenes Zimmer zurückziehen und mich entspannen konnte. Dies zehrte zusätzlich an meinen reduzierten Kraftreserven. Ein Vorteil war dafür, dass ich die neu erworbenen Kenntnisse an den therapiefreien Tagen unmittelbar im Alltag einbringen und ausprobieren konnte. Mir fehlte aber leider die Zeit, mich ganz auf meine Gesundheit zu konzentrieren, da ich mich im gewohnten Umfeld auch leicht von Alltagsdingen ablenken liess.

Trotzdem habe ich viel über Schmerz gelernt und was er im Körper auslöst. Mit diesem Hintergrundwissen konnte ich leichter Strategien für mich entdecken und erlernen, die mir im Umgang mit Schmerzspitzen helfen, z. B. mit Körperwahrnehmungsübungen, die fest in mir verankert sind. Die Reha war für mich auch wichtig, um meine Situation mit den chronischen Krankheiten und den damit verbundenen Einschränkungen annehmen zu lernen.

Heute gestalte ich meinen Tag bewusst so, dass ich Ruhezeiten einplane, was mir hilft, sowohl die Schmerzen als auch die Fatigue in Grenzen zu halten. Da hat mir die Ergotherapie viel gebracht!

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Andrea Möhr lebt mit einer Spondyloarthritis und einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS). Heute arbeitet sie wieder in einem 50-Prozent-Pensum als Führungsunterstützung in der internen Revision. Das Foto entstand während eines stationären Reha-Aufenthaltes in Valens.

Meine Tipps

  • Offen sein für neue Therapien und alle vorgeschlagenen Formen mindestens einmal ausprobieren. Sich aber auch äussern, wenn einem eine Therapie gar nicht behagt oder man sich über- oder unterfordert fühlt.
  • Zurück zuhause langsam starten, nicht alles auf einmal erledigen wollen und sich ggf. Hilfe organisieren.
  • Sofern man im Berufsleben steht, würde ich mit einem reduzierten Pensum starten und langsam steigern.
  • Gemeinsam mit dem Arzt/der Ärztin oder der Therapeutin/dem Therapeuten die für die persönlichen Bedürfnisse und die bestehende Erkrankung optimale Rehaeinrichtung suchen. Gerade bei einer selteneren Erkrankung lohnt es sich, nach einer Klinik mit Erfahrung zu suchen.

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